Codes: Wie Funktionssysteme mithilfe einer Leitdifferenz ihre Einheit vollziehen.

Alle Operationen im Rechtssystem richten sich an der Unterscheidung von Recht und Unrecht aus. Durch die Unterscheidung eines solchen binären Codes, der alle Operationen anleitet und darum auch Leitdifferenz heißt, vollziehen Funktionssysteme ihre Einheit in Form einer Differenz. Zugleich dient der Code dazu, sich operativ zu schließen, denn diese spezifische Unterscheidung kann nur das Rechtssystem vornehmen.

Eine solche Unterscheidung kann nur auf der Ebene einer Beobachtung zweiter Ordnung erfolgen. Zweite Ordnung bedeutet: Wir beobachten einen Beobachter und rekonstruieren seine Beobachtung in einer neuen Beobachtung, der wir etwas Neues hinzufügen – nämlich die Differenz.

Eine universell handhabbare Leitdifferenz ist Voraussetzung dafür, dass sich ein Funktionssystem aus der gesellschaftlichen Kommunikation ausdifferenzieren kann. Es würde nicht reichen, einfach nur irgendwelche normativen Erwartungen zu erfüllen. Erst die Leitdifferenz ermöglicht es Funktionssystemen, eine einzigartige Funktion für die Gesellschaft zu übernehmen, sich in dieser Hinsicht operativ zu schließen und autonom zu werden. Durch die Unterscheidung des Codes vollzieht das System seine Autopoiesis.

Unterscheidung ist dabei als Form zu verstehen: Es wird eine Grenze (Differenz) zwischen dem Unterschiedenen gezogen (George Spencer Brown).

Die Leitdifferenz garantiert, dass das System lernen und sich vernetzen kann. Denn alle Kommunikationen lassen sich an die anderen anschließen, alle beziehen sich auf dieselbe Differenz und können so aufeinander Bezug nehmen. Der Code gewährleistet die Anschlussfähigkeit. Die autopoietische Geschlossenheit lässt sich in Diskursen beobachten.

Zugleich garantiert der Code die Universalität des Rechts: Es gilt immer, jeder ist an rechtliche Entscheidungen gebunden, und diese können durchgesetzt werden. Niemand kann ausschließen, dass er nicht in das Recht hineingezogen wird. Auch die Entscheidung, sich außergerichtlich zu einigen, wird noch vom Rechtssystem reguliert.

Eine Paradoxie besteht darin, dass die Unterscheidung Recht/Unrecht nicht auf sich selbst angewendet werden kann. Es wird vorausgesetzt, dass die Unterscheidung rechtens ist und nicht Unrecht sein kann. Andere Betrachtungsweisen finden sich in der Literatur, z.B. bei Franz Kafka („Der Prozess“) oder Heinrich von Kleist („Michael Kohlhaas“).

Der Begriff der Einheit ist erklärungsbedürftig: Die Einheit ist selbst keine Operation des Systems und auch weder ein Prinzip noch eine Norm. Das System kann seine Einheit nicht in sich selbst einführen. Stattdessen „repräsentiert“ es sie durch eine laufende Bezugnahme auf den Code – wobei dann auf dieser Ebene auf Normen, Prinzipien und Erwartungen Bezug genommen wird.

Unterscheidungen von Recht und Unrecht finden zwar auch außerhalb von Parlamenten und Gerichten statt. Durch Verträge wird zudem viel positives Recht geschaffen, ohne dass das Rechtssystem daran beteiligt ist. Dies stellt aber nicht den Geltungsanspruch des Rechts in Frage.

Zuletzt stellt Luhmann klar, dass wir uns auf der Ebene einer Fremdbeobachtung befinden. Wir beobachten, wie das System, das seinerseits zu Selbstbeobachtung fähig ist, seine Einheit vollzieht. Dies umfasst nicht die Wirklichkeit des Systems, sondern ist eine Reduktion auf eine Art Modell, das wir von den elementarsten Operationen des Systems auf maximalem Abstraktionsniveau zeichnen. Um nun diese Einheit, die Gegenstand unserer Beobachtung und Beschreibung ist, bezeichnen zu können, verwendet Luhmann den Begriff Identität.

Luhmanns Theorie umfasst damit auch die eigenen Reflexionsleistungen des Systems und beschreibt das System als ein sich selbst beschreibendes System.

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