Ich heisse Hakan.

Vor anderthalb Jahren bin ich an einem Tinnitus erkrankt.

Er hat meinen kompletten Alltag vereinnahmt, sogar meine Traumwelt. Bis mir jemand eine Kamera in die Hand gedrückt hat. Bei meinem ersten Shooting hörte das Geräusch schlagartig auf.

Aus einer Therapie wurde eine Passion – ohne Plan, ohne Ziel und ohne Konzept. Ich folge auch heute keinem Regelwerk und möchte auch nicht damit anfangen. Die Fotografie ist die Leinwand für mein Innenleben, für meine Wahrnehmung von Schönheit. Ich habe die Welt schon immer mit anderen Augen betrachtet. Nun habe ich angefangen, das in Bildern festzuhalten.

Fotografie bedeutet für mich: Momente kreieren, genießen und leben. Mit keinem anderen Menschen als dem, der gerade vor mir steht. Ich zelebriere und erkenne die Schönheit in Menschen, bei dem der ein oder andere zweimal hinschauen muss, um zu sehen, was ich sehe. Aber auch dieses Bild steht nie final. An vielen Models, mit denen ich von Beginn an arbeite, erkenne ich jedes Shooting eine neue Facette ihrer Persönlichkeit. Und es fasziniert mich immer wieder aufs Neue.

Ich schreibe keinem Model vor, was es anzieht. Es muss das sein, worin es sich wohlfühlt. Ich fange Momente mit Menschen ein, ich bilde keine Puppen ab. Models sind für mich keine Objekte, es sind meine Musen. Und wenn man sich die Zeit nimmt, findet man Verletzlichkeit, Rebellion, Freiheit, Authentizität. Und die entdecke ich oftmals in der Nudeart. Denn nackt zu sein, heißt, man selbst zu sein, sich nicht zu verstecken.

Ich liebe die Kommunikation mit den Models. Ich liebe das Pure und Unverfälschte, das sich manchmal nur in Details zeigt. Und ich lerne von Ihnen, ich lerne jeden Tag dazu. Alles ist ein Prozess. Ich habe kein Interesse an Perfektion, was für mich perfekt ist, definiere ich selbst.

Das beste Shooting ist das, bei dem das Model vergisst, dass es vor der Kamera steht – nur dann kann ich einfangen, was einen Menschen wirklich ausmacht. Jede Person hat etwas Einzigartiges, ich vergleiche nicht. Fotografie und Models sind für mich eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Natürlich entwickle ich immer wieder Ideen. Aber ich kann sie auch loslassen, wenn ich fühle, dass es nicht der Moment dafür ist. Ein gespieltes oder erzwungenes Motiv sind für mich kein Modell. Ich will Spontanität leben können. Sicher bin ich professioneller geworden, ich habe Erfahrungen gesammelt, mir ein technisches Fundament erarbeitet, aber das ist nicht die Quintessenz meiner Arbeit. Ich folge meiner Intuition - meinen Sheldon Cooper kann ich an anderen Stellen rauslassen.

Ich freue mich über neue Herausforderungen, professionelle Models, größere Aufträge – aber vor allem über die Aufregung, die all das in mir auslöst. Ich glaube, ich werde niemals durch und durch souverän sein. Und ich finde das auch nicht erstrebenswert. Wenn ich mich über Dinge nicht mehr freuen kann wie ein Kind, ist es eine Sache auch nicht mehr wert für mich. 

Der Tinnitus war unerträglich – vielleicht wegen des ständigen Kontakts mit Menschen, ohne ein Instrument, das auszudrücken, was ich eigentlich empfinde. Worte reichen oft nicht aus, um zu beschreiben, was ich sehe. Heute denke ich manchmal, daraus ist der Tinnitus entstanden. Aus einer Ansammlung von Energie, unausgedrückten Gefühlen, die sich jetzt in der Fotografie entladen können. In einem Medium, das meine Sprache spricht – und meinen Hang zu Provokation und Natürlichkeit.

 

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